fbpx Modul „R“
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Unsere Workcamp-Module
"R" wie Realisitc, die handwerkliche Neigung.
Einleitung

In diesem Modul geht es um den Zusammenhang von Handwerks- bzw. Ingenieursberufen und Nachhaltigkeit.

Bionik-Beispiel ist der Fin Ray Effect® mit seiner Geometrie und seinen Vorteilen.

Beschreibung der Neigung „R“ wie „realistic“:
Hier geht es um Technik, Handwerk, angewandte Mathematik und praktische Physik, Ingenieur*innen und Handwerker*innen, die beispielsweise für die Konstruktion, Herstellung und Wartung zuständig sind. Sie brauchen ein grundlegendes Verständnis für das Gesamtkonstrukt, systemisches Denken, wie die einzelnen Teile zusammenspielen, lösungsorientiertes Denken für die Umsetzung, technisches Praxiswissen zum Erkennen der Schwachstellen und der Machbarkeit, Wissen darüber, welche Materialien und welche Herstellungsverfahren möglich sind, und sie brauchen im wahrsten Sinne des Wortes: das entsprechende Handwerkszeug.

Typische Arbeitsschritte bei Berufen dieser Neigung – Zusammenhang zur Nachhaltigkeit

Frage des Coaches, der Lehrkraft:
„Welche Arbeitsschritte fallen Euch ein, die nötig sind, wenn man etwas bauen und herstellen möchte?“

[Es ist egal, in welcher Reihenfolge die Teilnehmende (TN) die Arbeitsschritte Konstruktion, Materialauswahl, Fertigung nennen]

> Konstruktion

Neben dem funktionsorientierten Konstruieren ist es heutzutage und künftig immer mehr wichtig, gleich alles mitzudenken, was mit Nachhaltigkeit zu tun hat.

Gemeinsames Sammeln zur Frage:
„Worauf kann man beim Konstruieren achten, was direkt im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit steht?“

  • Langlebigkeit, dass das Bauteil nicht so schnell kaputt geht
    1. Schutzmechanismen für Transport
    2. Gestaltung der Produkte und Bauteile für Versagenssicherheit in der Nutzungsphase

Zu 2.)

I) Baumwachstum zur Reduzierung von Kerbspannung

Potenzielle „Schwachstellen“ eines Bauteils sind Stellen, an denen besonders hohe Spannung auftritt, wo Risse oder Brüche zu erwarten sind. Zur Reduzierung dieser Schwachstellen kann man von Bäumen und deren Last-angepasstem Wachstum „lernen“.

[Skizzieren und Kommentieren durch Lehrkraft oder Film zeigen] https://www.youtube.com/watch?v=CSyjb6poObY 

Winkel, zum Beispiel ein Haken an der Wand, wo am horizontalen Schenkel ein Gegenstand hängt und damit eine Gewichtskraft wirkt. Am Scheitelpunkt tritt Spannung auf. Ein Ingenieur/eine Ingenieurin würde hier zur Reduzierung der Spannung einen Viertelkreis reinlegen. Dann gibt es an den Schnittstellen des Viertelkreises mit den Schenkeln des Winkels immer noch Kerbspannungen, die möglichst weiter zu reduzieren sind. Bei Astgabeln oder Wurzelansätzen von Bäumen wird an Stellen hoher lokaler Spannung der Jahresring vom Baum durch mehr Materialansammlung verdickt, wodurch die Spannung gleichmäßiger verteilt wird.

Für die Übersetzung in die technische Konstruktion gibt es entsprechende Computerprogramme, aber auch einfache sogenannte „Denkwerkzeuge“:

Als ersten Schritt überbrückt man die Kerbe durch ein Dreieck. Dann trägt man die Hälfte der Basislänge von dem Schnittpunkt des Dreiecks mit dem Winkelschenkel nach oben ab und verbindet diesen Punkt mit dem Mittelpunkt der ersten Dreiecksbasis. An diesem Punkt geht man immer weiter so vor… Die Schenkellänge der Dreiecke wird immer kleiner und man nähert sich der Senkrechten immer mehr an. Am Ende kann die Kerbe entlang der Dreiecke „ausgerundet“ werden. So erhält man eine optimierte Kontur, die Spannung wird gleichmäßig verteilt und die lokalen Spannungsspitzen werden deutlich reduziert.

Auf diese Weise wird erreicht, dass der Haken nicht so schnell kaputt geht und damit länger im Gebrauch sein kann. Allerdings führt diese Methode zu mehr Materialeinzusatz bzw. Ressourcenverbrauch und auch zu höherem Gewicht. Aus ökonomischen und aus ökologischen Gründen soll hingegen möglichst Material eingespart werden. Stabilität und Materialeinsparung sind oft Gegenspieler.

Die Lösung bringt der Leichtbau durch die Optimierung der inneren Struktur.

II) Knochenwachstum für Leichtbau

Der Bioniker Professor Dr. Claus Mattheck https://mattheck.de/ hat nicht nur vom Baumwachstum, sondern auch vom Auf- und Abbau der Knochen gelernt.

Knochen werden nicht einfach im Kindesalter aufgebaut und bleiben dann ein Leben lang so bestehen und werden kontinuierlich abgenutzt. Sondern das Knochengewebe wird in einem ständigen Prozess immer wieder ab- und aufgebaut. Rein rechnerisch ist das gesamte Knochenmaterial bei einem Menschen alle 7 Jahre komplett erneuert.

Durch sogenannte Osteoklasten wird ständig Knochengewebe abgebaut und durch die Osteoblasten wieder aufgebaut. Wo Knochengewebe neu gebildet wird, hängt direkt von der Beanspruchung der Knochen ab. Die sogenannten Knochenbälkchen wachsen entlang der Spannungslinien im Inneren der Knochen. Und an den Stellen, wo es kaum Spannungen gibt, braucht es kein Material. So wird im gesunden Zustand der Knochen stabil gehalten und gleichzeitig der Materialeinsatz optimiert.

Auf Basis dieser Erkenntnisse hat Professor Mattheck eine Software entwickelt, mit deren Hilfe Bauteile zum Beispiel von Autos optimiert werden können: Soft Kill Option https://de.wikipedia.org/wiki/SKO_(Bionik)

„Leichtbau“ schafft also nicht nur den Kompromiss aus Ressourcenschonung und Langlebigkeit, sondern reduziert durch das geringere Gewicht auch den Energieaufwand beim Bewegen der Teile. Zum Beispiel benötigt ein Auto weniger Kraftstoff, wenn die Autoteile Leichtbau-optimiert sind.

Frage:
„Was ist noch wichtig, woran man denken muss, wenn man etwas bauen möchte, zum Beispiel einen Esstisch aus Holz?“

> Material

Frage:
„Was könnten zum Beispiel Fragen sein, die man sich stellen sollte, wenn es um Materialien und Nachhaltigkeit geht?“

  • Wie werden die Materialien gewonnen oder erzeugt?
  • Welche Auswirkungen hat das auf die Umwelt?
  • Welche sozialen Standards werden eingehalten?
  • Wo kommen sie her, wie werden sie transportiert?

Zu berücksichtigen ist aber natürlich auch:

  • Wie sind diese Materialien aktuell auf dem Markt verfügbar?
  • Wie viel kosten sie?

Man braucht also viel Wissen, kann aber gerade beim Thema Material und Materialbeschaffung viel für eine nachhaltige Wertschöpfung bzw. Wirtschaft erreichen. In vielen Bereichen unterstützen bestimmte Standards bei der Entscheidungsfindung. Bei Holz kann man auf Zertifikate bzw. Siegel achten (FSC – Forest Stewardship Council https://www.wwf.de/themen-projekte/waelder/verantwortungsvollere-waldnutzung/fsc-was-ist-das).

Um Kompromisse finden zu können, kommt es darauf an, die Optionen zu kennen und die Ansprüche zu wichten. Was ist das wesentliche Entscheidungskriterium, was das zweitwichtigste: die funktionalen Materialeigenschaften (Qualität) oder der Einkaufspreis oder die Nachhaltigkeitsaspekte (Materialvorgeschichte bis hin zur Rezyklierbarkeit)?

Beispiel Holzplatten:
MDF – mitteldichte Faserplatte: die Holzfasern, die ausschließlich aus Abfallholz bestehen, sind verklebt und mit Zusatzstoffen zur Funktionsverbesserung und Haltbarmachung behandelt. MDF-Platten lassen sich sehr gut bearbeiten und habe eine feinstrukturierte Oberfläche, die sich gleichmäßig lackieren lässt. https://de.wikipedia.org/wiki/Mitteldichte_Holzfaserplatte

OSB-Platten oriented structural board Grobspanplatten sind durch die langen Späne relativ biegefest und werden deswegen häufig für Bodenplatten auf Messeständen oder Baustellen verwendet. Die verwendeten Späne sind zumeist Abfallprodukte aus Holzbe- und verarbeitenden Prozessen. Auch sie werden verleimt. https://de.wikipedia.org/wiki/Grobspanplatte

Multiplex-Platten bestehen aus mehreren Furnierlagen, also dünnen, nicht recycelten Holzplatten, die verleimt sind. Die Platten sind relativ stabil/steif und brauchen keine extra Kantenabdeckung (wie bspw. Kunststoffleisten), weil die Platten auch unverkleidet ansehnlich aussehen. https://de.wikipedia.org/wiki/Multiplex-Platte

In den Materialeigenschaften unterscheiden sich diese drei Holzfaserverbundplatten deutlich, so dass sie unterschiedlich Verwendung finden. Die ersten beiden Arten können aus recycelten Holzfasern bestehen im Gegensatz zu Multiplex. Durch die Verwendung von Leim und den anderen Zusatzstoffen sind sie nach ihrer Nutzung teilweise anderweitig verwendbar, Recycling ist bisher jedoch eine sehr große Herausforderung. Es gibt allerdings bereits ein Verfahren, MDF-Platten zu recyceln https://www.unilinpanels.com/de-de/uber-unilin-panels/nachhaltigkeit/zirkularitat/recyceltes-mdf-hdf

[Weitere Arbeitsschritte, die von den TN genannt werden können]

> Fertigung, bspw. spanende Verfahren

https://de.wikipedia.org/wiki/Zerspanen

Auch bei der Fertigung – am Beispiel Holztisch – kann man die weitere Verwendung der „Abfälle“ organisieren (Sammeln und Pressen der Späne zu Briketts als Brennstoff).

Im Gold-verarbeitenden Gewerbe wird schon lange der „Goldstaub“ abgesaugt. Hier war der Materialwert Motivationstreiber. Heutzutage spielen auch bei anderen Materialien die Ressourcen-Knappheit und der Anspruch hinsichtlich Nachhaltigkeit eine große Rolle.

> Fügen / Trennen / Recyceln

Bei der Konstruktion kann auch das Trennen immer gleich mitgedacht werden. Zum einen können so Gegenstände weiter- und wiederverwendet werden (Aufbau des Schrankes in einer anderen Wohnung, Verwendung einer Tischplatte für Regalplatten) und zum anderen wird so das Recycling erleichtert (Spanplatten s. o.).

Recycling ist am einfachsten, wenn das Produkt aus Monomaterial besteht, also nicht aus diversen Materialien zusammengesetzt ist, die aufwändig getrennt werden müssen. Es gibt auch Möbel, die komplett aus Holz bestehen, wo jedes Teil, sogar die Scharniere, Verbindungen und Schienen aus Holz hergestellt sind. Ansonsten ist Schrauben oder Nageln tendenziell besser als Kleben.
Sind Wiederverwendung oder Recycling nicht möglich, werden die Gegenstände nach ihrer Nutzung umweltgerecht entsorgt, damit sie „thermisch verwertet“ werden können. Das heißt, sie werden in einer Müllverbrennungsanlage verbrannt und damit Wärme (Warmwasser, Heizung) und Strom erzeugt. https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCllverbrennung

> Behandeln, beschichten

Auch bei der weiteren Bearbeitung und Behandlung im Herstellungsprozess sind verschiedene Anforderungen zu berücksichtigen und Abwägungen zu treffen: Funktionalität (geruchsneutral, leicht zu reinigen), Haltbarkeit (Umweltbedingungen wie Feuchtigkeit, Temperatur, kratzfest) und Gesundheit (toxische Lacke), Umwelt

>> Zusammenfassung

Von der Tischlerin über den Mathematiker bis zur Entwicklungsingenieurin und dem Technologieberater – bei den technischen Berufen sind die Herausforderungen vielfältig und spannend. Ob im Handwerk oder in Ingenieurbüros beim Planen, Simulieren, Bauen, Prüfen und Warten: Wenn man ein Verständnis für solche Fragen hat, wird man am Ende mit sichtbaren Ergebnissen seiner Arbeit belohnt.

Der Fin Ray Effect® - eine weitere spannende Bionik-Struktur

Zentrale Arbeitsschritte beim bionischen Innovieren sind:

> Verständnis für den biologischen Wirkmechanismus

> Abstraktion / Ableitung des bionischen Funktionsprinzips

> Umsetzung in eine technische Konstruktion

–> Hat in vielen Fällen mit Strukturen zu tun.

Ein interessantes Bionik-Beispiel für solch eine abstrahierte Struktur ist der Fin Ray Effect®.

Film der Fima Festo SE & Co. KG: https://youtu.be/HyGbLohrRrk


Entstehungsgeschichte zum Fin Ray Effect®

Entdecker des Fin Ray Effectes® ist Leif Kniese von dem Bionik-Unternehmen EvoLogics GmbH. Er ist gelernter Tischler und leidenschaftlicher Angler und segelt gern nach Skandinavien, um dort zu angeln. Irgendwann muss er mal – warum auch immer – vielleicht beim Zerlegen seiner Beute gegen die Schwanzflosse seiner Forelle gedrückt haben. Manche Dinge sieht man – ohne sie groß zu registrieren. Aber ihm ist aufgefallen, dass die Schwanzflosse diese ungewöhnliche, unerwartete Reaktion zeigt: die Spitze der Fischflosse biegt sich entgegen der Druck- bzw. Kraftrichtung.

[Gemeinsames Erarbeiten der Geometrischen Struktur an Whiteboard oder Tafel oder Flipchart]

0. Grundstruktur des Fin Ray Effectes®

Zwei Hauptstreben treffen sich an einem Punkt und bilden ein Dreieck. Innerhalb des Dreiecks gibt es Querstreben (mindestens eine). Die Grundstruktur besteht somit an der Basis aus Trapezen (mindestens einem) und an der Spitze aus einem Dreieck.

1. Dreieck aus Stäben mit hoher Steifigkeit

Bemerkung: Das Dreieck ist auf einer „Tischplatte“ fixiert, um eine Drehung um Punkt C zu verhindern. Die Stäbe sind nicht dehnbar und nicht elastisch und miteinander durch Gelenke an allen drei Punkten verbunden.

Wenn bei einem Dreieck die Längen aller drei Seiten feststehen (hohe Steifigkeit, nicht dehnbar), gibt es (von der Drehung oder Spiegelung abgesehen) nur eine Winkelkonstellation. Die Winkel ändern sich bei Krafteinwirkung also nicht, die Struktur wird durch den Druck nicht verändert. (Würde der Druck zu groß, würde es lediglich zum Bruch kommen.)

2. Dreieck aus elastischen, nicht dehnbaren Stäben

Interessanterweise zeigt sich bei einem druckbelasteten Dreieck aus elastischem Material eine ähnliche Form, wie beim Fin Ray Effect®.
Durch den Druck wird die Seite b nach innen gewölbt. Da das Material nicht dehnbar ist, sind die Bogenlänge b und die Streckenlänge b gleich. Durch die Wölbung wird der Punkt B näher an die Seite c „herangezogen“. Deswegen wölbt sich auch die Seite a in Druckrichtung.

3. Trapez steif

Durch den Druck auf die Seite c wird diese um den Punkt D gedreht. Dadurch wird der Punkt C nach links verschoben. Weil die Länge c gleichbleibt, befindet sich der Punkt C nach der Drehung näher an der Trapezbasis, seine Höhe auf d wird kleiner, er liegt also „tiefer“. Da die Länge von b nicht änderbar ist (festes, steifes Material), wird auch die Seite a nach links gedrückt und um den Punkt A gedreht. In diesem Fall befindet sich der Punkt B nach der Drehung bzw. nach der Krafteinwirkung ebenfalls weiter links, jedoch im Vergleich zu seiner vorherigen Position weiter von d entfernt (Lot), also höher als vorher und deutlich höher als C.

Das ist der „Knackpunkt“ beim Fin Ray Effect®: die Seite b wird gekippt. Wenn das Dreieck der Grundstruktur oben auf das „neue“, durch die Krafteinwirkung veränderte Trapez gesetzt wird, ist dessen Basis ebenfalls gekippt. Es kommt zu der typischen Fin Ray-Reaktion.

4. Sinus als Ergänzung – Trapezbasis mit spitzen Winkeln < 90°

Abhängig von den Kenntnissen der TN kann auch noch darauf eingegangen werden, dass der Sinus eines Winkels (< 90°) größer wird, wenn der Winkel größer wird und umgekehrt, dass der Sinus kleiner wird, wenn der Winkel kleiner wird. Durch die Drehung des Stabes a um den Punkt A wird der Winkel bei A größer und durch die Drehung des Stabes c um den Punkt D wird der Winkel bei D kleiner. Deswegen ist das Lot auf d (die Senkrechte von B auf d), also der Sinus des Winkels um A, größer als das Lot von C auf d, also der Sinus des Winkels um D. Der Punkt B liegt nach Krafteinwirkung demnach „höher“ als der Punkt C.


Fazit

  1. Bei elastischen Materialien ist die Fin Fay-Struktur nicht unbedingt nötig, aber sie verbessert die Stabilität und Funktionalität des Systems.
  2. Bei Dreiecken aus Werkstoffen mit hoher Steifigkeit braucht es zwingend Querstreben, also den Fin Ray-Effect®, um die Fin-Ray-typische konkave Reaktion zu erreichen.


Fin Ray Effect® als Antrieb

Bei diesen Überlegungen kam der Druck von der Seite, hat eine Kraft auf die Seitenstrebe gewirkt. Das ist die eine Möglichkeit, den Fin Ray Effect® zu erreichen. Beim Fisch erkennt man die zweite Möglichkeit. Fin Ray: Fin = Flosse und Ray = Strahl

Die Schwanzflosse besteht aus mehreren dieser Fin Ray-Strukturen. Die Flossenstrahlen sind verknöchert und durch die Flossenhaut miteinander verbunden und in der Muskulatur des Fisches verankert.

Wenn man an einer der beiden Hauptstreben zieht – weg von der Spitze – bzw. Scherkräfte aufbringt, die beiden Punkte A und D gegeneinander verschiebt, erreicht man ebenfalls den Fin Ray Effect®

Der Fisch macht genau das aktiv: durch seine Muskeln übt er abwechselnd an den Punkten A und D Kraft aus und bewegt seine Flossen hin und her. Die Verformung, also die Wölbung, erfolgt dann aufgrund der inneren Struktur rein passiv. Dadurch wird der Vortrieb des Fisches beim Schwimmen effizienter!

Frage:
„Wie müssen diese einzelnen Fin Ray Elemente, also die Flossenstrahlen in der Fischflosse angeordnet sein?“

Antwort: Die Fin-Ray-Elemente liegen übereinander. Wenn man von der Seite auf die Fischflosse schaut, sieht man pro Flossenstrahl jeweils eine Hauptstrebe. Die Querstreben gehen nach hinten weg. Die Spitzen der Dreiecke bilden übereinander liegend das äußerste Ende der Schwanzflosse.


Anwendungen in Produkten

https://www.biokon.de/produkte-mit-dem-fin-ray-effect-beeindrucken-selbst-den-bundespraesidenten/

  1. Analog zum Fisch Einsatz für Flossen-Antrieb, bspw. bei Autonomous Underwater Vehicles (AUVs) https://evologics.de/projects/boss
  2. Ein Fin Ray-Element: Rückenlehne eines Stuhls oder Dustino https://www.youtube.com/watch?v=OHqsmQMeJPk
  3. Zwei oder drei Fin-Ray-Elemente: Form-adaptives Greifen, siehe Festo-Video
  4. Mehrere Fin Ray-Elemente konzentrisch angeordnet beim Wischmoppwringer von Vileda;
    Hier bringen die einzelnen Elemente mit jeweils nur einer Zwischenstrebe bereits einen großen Effekt. Caldare cu sistem de scurgere Vileda Super Mocio – YouTube


Vorteile der Fin Ray Struktur

Aufbau einer einfachen Zange: hier sind zwei Hebel durch einen Bolzen als Gelenk miteinander verbunden. Wenn man einen Gegenstand mit rundem Querschnitt greift, berührt man den Gegenstand insgesamt nur an zwei Punkten. Die ganze Kraft wird also nur auf zwei Punkte verteilt. Dadurch ist der Druck an den beiden Stellen relativ groß.

Besitzen die beiden Greifbacken jedoch eine Fin Ray Struktur, gibt es nicht mehr nur einen, sondern mehrere Kontaktpunkte. Das ist abhängig von der Anzahl der Zwischenstreben bzw. Gelenke. Bei elastischen Greifbacken würde sich die Struktur sogar flächig an die Kontur des zu greifenden Gegenstandes anschmiegen.

Durch die Fin Ray-Struktur wird die Kraft also auf mehrere Kontaktpunkte oder auf eine Strecke oder sogar auf eine größere Kontaktfläche verteilt. Und dadurch wird der Druck an den einzelnen Punkten verringert. Gleichzeitig wird durch die größere Kontaktfläche auch die Reibung vergrößert: je mehr Kontakt-Punkte oder je größer die Kontakt-Fläche, desto größer die Reibung.

Diese beiden Dinge in Kombination helfen also, dass der Gegenstand wegen der erhöhten Reibung sicher gehalten werden kann – dass er also nicht so leicht wegrutscht – und die Kraftübertragung optimal ist und gleichzeitig werden Punktlasten vermieden und der Gegenstand nicht kaputtgequetscht.


Bauen einer Fin Ray-Struktur

Aufgabe:
„Baut eine Fin Ray-Struktur mit mindestens einer Zwischenstrebe.“

[Besonders interessant sind die Lösungen der TN für die Gelenke.]

Ggf. Frage der Lehrkraft / des Coaches bei der Präsentation der Ergebnisse:
„Was waren Eure Gedanken bei der Wahl der Materialien? Hat Nachhaltigkeit eine Rolle gespielt?“


Abschluss

Die EvoLogics GmbH ist eine Ausgründung aus der Technischen Universität Berlin, welche Handwerker, Konstrukteure, Mathematiker und Ingenieurinnen für die Entwicklung und den Bau seiner innovativen Produkte beschäftigt. Die Ingenieur*innen sind Spezialisten für mathematische Berechnungen, Simulationen, Messtechniken, Programmierung, Steuerungs- und Regelungssysteme. Einer der beiden Unternehmensgründer und Geschäftsführer, Dr. Rudolf Bannasch, ist Biologe. Leif Kniese ist als Tischler zu der Firma EvoLogics gekommen und arbeitet mittlerweile seit mehreren Jahren mit den mehr als 30 Mitarbeitenden des KMU zusammen. Gerade das Team mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen macht das Unternehmen zu einem interessanten Partner für so große Unternehmen wie Vileda mit ihren Haushaltsartikeln oder Festo als weltweit agierendes großes Unternehmen im Bereich Automatisierungstechnik, die Lizenznehmer der EvoLogics GmbH sind.

Benötigte Materialien
  • Rechner mit Videos oder Internetverbindung
  • Whiteboard oder Tafel oder Flipchart
  • unterschiedliche Materialien für den Bau einer Fin Ray-Struktur (Holz, Papier, Scharniere, Pappe, Kunststoff-Platten, Lineal, Stifte, Schere, Heißklebepistole, Klebeband, Tacker, Nägel, Draht, u. ä.),
  • diverse Werkzeuge (Stich- oder Hand-Säge, Bohrmaschine, Schleifpapier, u. ä.), Werkzeugkoffer

Dauer
mindestens 2,5h; abhängig vom Wissenstand der TN und davon, wie viele der oben genannten Inhalte thematisiert werden